Hiermit möchten wir über die Auswirkungen des Wegfalls der Pauschalierung ab dem 01.01.2022 informieren und anhand von Beispielen aufzeigen, was möglicherweise im Herbst noch zu beachten ist. Ausdrücklich weisen wir daraufhin, dass diese Information die individuelle Beratung nicht ersetzt. Wir bitten Sie daher, uns bei konkreten Fragen zu kontaktieren.

Hintergrund

Ab dem 01.01.2022 dürfen land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit einem Vorjahres-Nettoumsatz von mehr als 600.000 EUR die Umsatzsteuer-Pauschalierung nicht mehr anwenden. Weiterführende Hinweise zum Umsatz finden Sie in unserem Schreiben vom Frühjahr.

Wenn Sie zum 01.01.2022 in die Regelbesteuerung wechseln müssen, stellt sich die Frage, was mit der Vorsteuer aus Wirtschaftsgütern passiert, die Sie vor dem Wechsel zur Regelbesteuerung angeschafft haben. Der Gesetzgeber hat eine Regelung fixiert, die dafür sorgt, dass die Vorsteuer (teilweise) erstattet werden kann.

Im Bereich des Anlagevermögens wird eine Unterteilung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern vorgenommen. Für die beweglichen Wirtschaftsgüter (bspw. Ackerschlepper, Anbaugeräte, etc.) greift ein Berichtigungszeitraum von fünf Jahren. Für unbewegliche Wirtschaftsgüter (bspw. Kartoffelhalle, Schweinestall, etc.) hat der Gesetzgeber einen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren festgehalten.

Die Berichtigungsnorm soll im Folgenden an einem Beispiel verdeutlicht werden:

1. Beispiel
Bau Schweinemaststall (= unbewegliches Wirtschaftsgut)

Der pauschalierende Landwirt B baut einen Schweinemaststall für 500.000 € zzgl. 19 % MwSt. Die erstmalige tatsächliche Verwendung des Stalls war am 01.01.2020. Der Berichtigungszeitraum läuft somit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2029.

Zum 01.01.2022 muss B zur Regelbesteuerung wechseln, da die 600.000 € Nettoumsatz im Jahr 2021 überschritten wurden. Demnach verbleiben B acht Jahre des Berichtigungszeitraums. Das bedeutet, dass B 8/10 der gezahlten und bisher nicht erstatteten Vorsteuer vom Finanzamt zurückbekommt. Insgesamt kann B über den Berichtigungszeitraum verteilt einen Betrag von 76.000 € (8/10 x 95.000 €) als zusätzliche Vorsteuer anmelden; jährlich somit 9.500 €.

2. Beispiel
Kauf Ackerschlepper (= bewegliches Wirtschaftsgut)

Der pauschalierende Landwirt A kauft eines Ackerschleppers für 150.000 € zzgl. 19 % MwSt. Die erstmalige tatsächliche Verwendung war am 01.07.2019. Der Berichtigungszeitraum läuft somit vom 01.07.2019 bis zum 30.06.2024.

Zum 01.01.2022 muss A zur Regelbesteuerung wechseln, da die 600.000 € Nettoumsatz im Jahr 2021 überschritten wurden. Demnach verbleiben A 2,5 Jahre des Berichtigungszeitraums. Das bedeutet, dass A 2,5/5 der gezahlten und bisher nicht erstatteten Vorsteuer vom Finanzamt zurückbekommt. Insgesamt wird A ein Betrag von 14.250 € (2,5/5 x 28.500 €) vom Fiskus zurückgezahlt bzw. als zusätzliche Vorsteuer angemeldet. Jährlich entspricht das einer zusätzlichen Vorsteuer von 5.700 €.

Um nicht für jedes Kleinstwirtschaftsgut die Vorsteuer berichtigen zu müssen, hat der Gesetzgeber eine Vereinfachungsregel geschaffen. Demnach werden Vorsteuerkorrekturen nur vorgenommen, wenn die Vorsteuer 1.000 € pro Wirtschaftsgut übersteigt.

Des Weiteren greift die Vorsteuerberichtigung auch beim Umlaufvermögen. Umlaufvermögen sind Gegenstände, die zur Veräußerung oder Verarbeitung bestimmt sind. Der oben beschriebene Berichtigungszeitraum findet beim Umlaufvermögen keine Anwendung, da auf die tatsächliche Verwendung abgestellt wird. Diese muss von der geplanten Verwendung abweichen.

Berichtigungsobjekte sind die Erzeugnisse des Betriebes, wie bspw. Marktfrüchte, Pflanzen, Masttiere oder eingeschlagenes Holz. Nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung zum 01.01.2022 kommt die Vorsteuerberichtigung erst zum Tragen, wenn der Gegenstand veräußert wird. In dem Moment können die Vorsteuerbeträge, die in Rahmen des gesamten Herstellungsprozesses aufgewendet wurden (bspw. Futter, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, etc.) berichtigt werden, wenn der Betrag von 1.000 € Vorsteuer überschritten wird.

Hier liegen die praktischen Probleme, die anhand zweier Beispiele verdeutlicht werden sollen:

3. Beispiel – Mastschwein

Landwirt M muss zum 01.01.2022 zur Regelbesteuerung wechseln, da die 600.000 € Nettoumsatz im Jahr 2021 überschritten wurden. Im November 2021 stallt Landwirt M einen neuen Durchgang mit 1.000 Mastschweinen zu einem Stückpreis von 30 € inkl. 10,7 % MwSt. auf und kauft Futter im Wert von 50.000 € inkl. 7 % MwSt. Die verkaufsreife erreicht das Mastschwein Anfang März 2022. Im Zeitpunkt des Verkaufs wird das einzelne Tier als Berichtigungsobjekt betrachtet, sodass Landwirt M aus der Anschaffung der Mastschweine und der Futterlieferung im Herbst 2021 die enthaltene Vorsteuer nicht berichtigen darf, da in dem einzelnen Mastschwein keine 1.000 € Vorsteuern enthalten sind. Auf der anderen Seite muss Landwirt M die 7 % Umsatzsteuer aus dem Veräußerungsvorgang an das Finanzamt abführen.

4. Beispiel – Marktfruchtbetrieb Weizen

Landwirt W muss zum 01.01.2022 zur Regelbesteuerung wechseln, da die 600.000 € Nettoumsatz im Jahr 2021 überschritten wurden. Im Herbst 2021 zeichnet sich auf dem Düngermarkt ein Engpass ab. Landwirt F entscheidet den gesamten Dünger für 60.000 € inkl. 19 % MwSt. vorzukaufen. Der im Sommer 2022 geerntete Weizen wird direkt …

Variante a)

… an einen Abnehmer vermarktet. Im Rahmen des Vertrages werden 2.500 t Weizen zu einem Preis von 250 €/t verkauft. Fraglich ist, ob Landwirt W aus den Aufwendungen im Herbst 2021 (Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz, etc.) die Vorsteuer berichtigen darf?

Im vorliegenden Fall ist das Berichtigungsobjekt nicht das einzelne Weizenkorn, sondern die geschlossene vertragliche Vereinbarung. Da Landwirt W die gesamte Weizenernte in einem Vertrag an einen Abnehmer vermarktet hat, ist das Berichtigungsobjekt der Vertrag mit 2.500 t Weizen. Alleine aus dem Düngerkauf resultieren rund 9.580 € Vorsteuern, sodass Landwirt W die Vorsteuer korrigieren kann und diese entsprechend erstattet bekommt.

Variante b)

… an viele verschiedene Abnehmer vermarktet. Im Rahmen der Verträge werden im Durchschnitt 100 t Weizen zu einem Preis von 250 €/t verkauft. Fraglich ist, ob Landwirt W aus den Aufwendungen im Herbst 2021 (Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz, etc.) die Vorsteuer berichtigen darf?

Im vorliegenden Fall ist das Berichtigungsobjekt nicht das einzelne Weizenkorn, sondern die geschlossene vertragliche Vereinbarung. Da Landwirt W die Weizenernte innerhalb verschiedener Verträge vermarktet hat, liegen entsprechend viele Berichtigungsobjekte vor. In diesem Fall enthält das einzelne Berichtigungsobjekt weniger als 1.000 € Vorsteuern, sodass eine Vorsteuerberichtigung für die im Herbst angefallenen Aufwendungen unterbleiben muss.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es bei der Vermarktung der Mastschweine, nach aktueller Rechtsprechung, keine Möglichkeit besteht die im Rahmen der Pauschalierung (Herbst 2021) angefallenen Aufwendungen und die darin enthaltenen Vorsteuern zu berichtigen und sich vom Fiskus erstatten zu lassen. Gleichzeitig bleiben diese Beträge aber als Betriebsausgabe erhalten und wirken somit gewinnmindernd.

Im Bereich der Marktfrüchte sollte darauf geachtet werden, dass die Früchte in größeren Partien vermarktet werden, sodass die enthaltene Vorsteuer über 1.000 € liegt.

Folgend haben wir Ihnen aus steuerrechtlicher Sicht Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Ausdrücklich weisen wir daraufhin, dass diese nicht allgemeingültig sind. Jeder Fall sollte nicht nur aus steuerrechtlicher Sicht betrachtet werden. Die Fälle sind nicht abschließend und werden stark vereinfacht dargestellt. Bitte sprechen Sie uns an, wenn konkrete Fragen vorliegen.

1. Fall: Verkauf Maschine
Empfehlung: Verkauf vor dem 01.01.2022 inkl. 10,7% MwSt., da die 10,7 % MwSt. nicht an das Finanzamt abgeführt werden müssen. Bei Verkauf nach dem 01.01.2022 müssen 19 % Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Wenn der Berichtigungszeitraum (fünf Jahre, siehe oben) noch nicht abgelaufen ist, kann die Vorsteuer aus dem Kauf der Maschine anteilig berichtigt werden.

2. Fall: Kauf Maschine
Empfehlung: Kauf nach dem 01.01.2022, da dann der sofortige Vorsteuerabzug von 19 % möglich ist. Bei Kauf der Maschine bis zum 31.12.2021 kann die Vorsteuer anteilig berichtigt werden (siehe 2. Beispiel oben).

3. Fall: Kauf Betriebsmittel
Empfehlung: Kauf nach dem 01.01.2022, da dann der sofortige Vorsteuerabzug (19 % oder 7 %) möglich ist.

4. Fall: Verkauf der Ernte 2021
Empfehlung: Verkauf bis 31.12.2021 mit 10,7 % MwSt., da die 10,7 % MwSt. nicht an das Finanzamt abgeführt werden müssen.

Bei Verkauf ab 01.01.2022 sollte die vertragliche Vereinbarung so gewählt werden, dass in den für die Ernte 2021 aufgewendeten Betriebsmitteln (Dünger, Pflanzenschutz etc.), mindestens 1.000€ Vorsteuern enthalten sind. Siehe Beispiel 4.1